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Totentanz der Liebe

"Romeo und Julia" im Düsseldorfer SChauspielhaus

 

Es ist eine alte Geschichte, doch immer wieder neu. In seiner Inszenierung für das Düsseldorfer Schauspielhaus setzt Michael Talke erfrischend Shakespeares Tragödie "Romeo und Julia" in Szene. Zwischen Alpha Romeo und Rover mit Veroneser Kennzeichen kämpft man mit Autoantennen statt mit Schwert und Degen, der Looser Peter verschwindet auch schon einmal im Kofferraum und die Liebesnacht von Romeo und Julia findet auf dem Autoheck statt. Julias Eltern entstammen der Schickeria, treten mal im smarten Tennisdress und dann in Highheels mit strenger Hochsteckfrisur bzw. goldbeknopften Jackett auf.

 

Der Maskenball der Capulets wird zum dekadenten Totentanz. Die Rivalitäten zwischen den Capulet- und Montague-Clans nehmen Anleihen bei der West Side Story, die ja auch nichts weiter als eine Adaption des Romeo und Julia-Stoffes ist. Bruder Lorenzo grantelt vor sich hin und plagt sich mit Säcken voller Blumenerde aus dem Gartencenter ab. Der Prinz spricht zu seinen Untertanen per Videobotschaft. Auch Romeo hält gerne etwas als Video fest und schaut sich gemeinsam mit seiner Julia die Lerche- und Nachtigallenszene an. Alles findet in einer Art Stierkampfarena statt, die aber auch ein Imitat des Globe Theatres sein könnte. Wenn die Gefühle überschwappen, kann es vorkommen, dass die Wände der Arena bunt beleuchtet werden und zu romantischer Popmusik Schmetterlinge herumtanzen.

 

Die Handlung an sich wird mit einigen Kürzungen beibehalten. Sprachlich hat man sich an der Tieckschen Übersetzung orientiert, mit einigen neudeutschen Einschüben. Viola Pobitschka als Julia und Milian Zerzawy als Romeo spielen ihre Parts so erfrischend, als seien sie wirklich das erste Mal verliebt. Angelika Fornell als Julias Mutter spielt die standesbewusste, kühle, mitunter genervte Ehefrau auch mimisch gut aus. Matthias Fuhrmeister als Capulet kann seine anfängliche Unterlegenheit gegen die Montagues später mit Strenge seiner Tochter gegenüber kompensieren. Mit großer Spielfreude traten Moritz Führmann als Mercutio und Gunther Eckes als Benvolio gegen Thiemo Schwarz als Tybalt und Marian Kindermann als Paris an. Die Amme (Karin Pfammatter) ist wie eh und je geschwätzig, trägt aber Gouvernantenlook mit Netzstrümpfen und Erika Mann Frisur.

 

Mit großem Geschick hat Michael Talke alle komischen und burlesken Szenen des Shakespeare-Stücks auf die Bühne gebracht, so dass man einmal nicht in Traurigkeit zerfließt. Das Publikum, alt wie jung, dankte es mit begeistertem Beifall.

 

Darsteller: Andreas Bichler, Gunther Eckes, Moritz Führmann, Matthias Fuhrmeister, Angelika Fornell, Steffen Gräbner, Marian Kindermann, Karin Pfammater, Viola Pobitschka, Michael Schütz, Thiemo Schwarz, Pierre Siegenthaler, Milian Zerzawy

 

Inszenierung: Michael Talke

Bühne: Hugo Gretler

Kostüme: Tina Kloempken

Musik: Frank Böhle

Video: Matthias Lippert

Kampfchoreografie: Horst Gurski, Axel Hambach

 

Premiere am 20. März 2010, 19.30 Uhr, Großes Haus

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