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REISE DURCH FANTASIEWELTEN - Mozarts "Zauberflöte" in der Staatsoper Stuttgart

am 20.2.2024 in der Staatsoper STUTTGART

Barrie Koskys Inszenierung von Mozarts "Zauberflöte" ist eine vielschichtige Reise durch Fantasiewelten. Die Königin der Nacht beauftragt den jungen Prinzen Tamino, ihre Tochter Pamina aus den Händen Sarastros und seiner Gesellschaft von Sonnenpriestern zu befreien. Die Königin der Nacht trachtet Sarastro nach dem Leben, weil dieser von ihrem verstorbenen Mann sämtliche Macht geerbt hat. Von dieser Feindschaft können sich Tamino und Pamina allerdings befreien, in dem sie sich erfolgreich verschiedenen Prüfungen stellen, die auf dem Weg in Sarastros Priesterschaft liegen.

 

Copyright: Martin Sigmund

Und auch der unbedarfte Vogelfänger Papageno bekommt schließlich seine Papagena. Sarastro gelingt es, die Königin der Nacht mit ihren Dienerinnen zu vertreiben. Dafür hat Barrie Kosky als Regisseur zusammen mit Suzanne Andrade ("1927") bunte und originelle Bilder gefunden, die sich beim Zuschauer stark einprägen. Es geht zurück in die 20er Jahre des letzten Jahrhunderts, in die Welt des Kabaretts und des Stummfilms, wo ein  riesiger Feuerspeier ebenso Platz hat wie eine spinnenartige Königin der Nacht. Es gibt zudem facettenreiche Assoziationen zum Animationsfilm, zu Revue, Vaudeville oder Music Hall. Papageno trägt hier die Züge von Buster Keaton, Monostatos erinnert an Nosferatu und Pamina hat Ähnlichkeiten mit Louise Brooks.

Manchmal wirbeln die vielen Bilder wild durcheinander, bei den Prüfungen saust ein Aufzug hinab. Mit Bühne und Kostümen von Esther Bialas gelingen  Barrie Kosky auch immer wieder Reminiszenzen an Kupferstiche des 18. Jahrhunderts ebenso wie an Comics der Gegenwart. Bei seiner Arie "Ein Mädchen oder Weibchen" trinkt Papageno einen rosafarbenen Cocktail aus einem riesigen Glas. Man glaubt rosa Elefanten zu sehen, die irgendwann zu fliegen beginnen. Beim Untergang der Königin der Nacht oder der Erscheinung Papagenas  kommt es zu regelrechten Explosionen. Die Dialoge sind verkürzt, sie erscheinen nach Stummfilmart als Zwischentitel mit Klavierbegleitung.

Mit einem Hammerklavier aus dem 18. Jahrhundert erklingen die beiden Fantasien in c-Moll KV 396 und in d-Moll KV 397 von Mozart. So kommt es zwischen herumfliegenden Flöten mit Notenschweif und Show-Girl-Glöckchen tatsächlich zu einem einheitlichen Rhythmus.  Und auch die Videoprojektionen mit ihrem Bienen-Profil erzählen davon, wie Menschen alleine sind. Gelegentlich ufern diese Bilder störend aus, man verliert den Überblick. Und trotzdem finden die verschiedenen Flächen und Projektionen wieder zusammen. Unter der inspirierenden Leitung von Vlad Iftinca musiziert das Staatsorchester Stuttgart sehr homogen und kompakt. Die Sängerinnen und Sänger arbeiten den Lied- und Volkston überzeugend heraus, was vor allem bei der Gestaltung Papagenas und Papagenos auffällt. Auch die gehobene Gefühlssprache Taminos und Paminas kommt nicht zu kurz. Der figurierte Choral in der Wasser- und Feuerprobe zeigt eine starke harmonische Intensität.

Die gewaltigen Koloraturen der Königin der Nacht fesseln auch mit einem starken visuellen Ausdruck und sind hier kein virtuoser Selbstzweck. Flammende Leidenschaft ist ebenso beim berühmten Sextsprung von Taminos Bildnisarie spürbar, wo der wandlungsfähige Tenor Mingjie Lei in besonderer Weise überzeugt. Claudia Muschio ist ihm als berührende Pamina mit weichem Timbre eine ebenbürtige Partnerin. Eine hervorragende Leistung bietet Beate Ritter als Königin der Nacht nicht nur im Larghetto ihrer ersten Arie "Zum Leiden bin ich auserkoren" in g-Moll. Sie macht deutlich, dass diese sternflammende Königin im Laufe der Handlung immer dunklere Züge annimmt. Elmar Gilbertsson lässt als lemurenhafter Monostatos deutlich werden, dass ihm immer Unrecht geschieht, das zeigt schon seine Arie "Alles fühlt der Liebe Freuden". Zwischen Wölfen nimmt diese Figur durchaus dämonische Züge an.

Monostatos fühlt sich zu Pamina hingezogen, das paart sich jedoch mit totaler Empfindungslosigkeit. Michael Nagl als Papageno und Alma Ruoqi Sun als Papagena leben stattdessen ihre Sinnlichkeit in leidenschaftlicher Weise. Als Sarastro überzeugt ferner Goran Juric mit sonorer gesanglicher Kraft. Man spürt bei dieser Aufführung sehr deutlich, wie das C-Dur-Finale die Handlung in die Region Sarastros führt. Und auch die Kehrseite des C-Dur zeigt sich immer wieder eindrucksvoll, wenn das a-Moll einer dunklen Verstrickung erklingt. Wenn Pamina und Papageno in G-Dur auf der Flucht sind ("Schnelle Füße, rascher Mut"), wird dieser scheinbar undurchdringliche Zauber durchbrochen. Sarastros E-Dur-Arie "In diesen heil'gen Hallen" bringt hier die große Wandlung.

Den scharfen Gegensatz zwischen dem rasenden d-Moll der Königin der Nacht und Sarastros erhabenem E-Dur arbeitet Vlad Iftinca als umsichtiger Dirigent in ausgezeichneter Weise heraus. Schon bei der Ouvertüre gelingt es ihm, die kontrapunktischen Feinheiten bis zum Symbol höchster Symmetrie herauszuarbeiten. So wirkt das Allegrothema ausgesprochen ebenmäßig. Neben den tänzerischen Elementen triumphiert die Feierlichkeit. In weiteren Rollen gefallen Magdalena Stefaniak als erste Dame, Shannon Keegan als zweite Dame sowie Itzeli Jauregui als dritte Dame. Neben den drei Knaben mit Solisten des Tölzer Knabenchors überzeugen noch  Moritz Kallenberg als erster Geharnischter und Aleksander Myrling als zweiter Geharnischter. Der Staatsopernchor unter der einfühlsamen Leitung von Bernhard Moncado fesselt mit kraftvollem Ausdruck.  

Jubel und viele "Bravo"-Rufe.
 

 

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