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CSARDAS UND TECHNO-PARTY - "Die Fledermaus" von Johann Strauß mit der Opernschule der Stuttgarter Musikhochschule im Wilhelma Theater Stuttgart

am 30.1.2024

Diese Operette der Operetten erzählt die südafrikanische Regisseurin Victoria Stevens in einer modernen Fassung. Im schlichten Bühnenbild von Basia Binkowska (Video: Lukas Eicher) sieht man einen Treppenaufgang, der ausschnittartig einen Hinterraum freigibt. Die Frauen schminken sich ihre Gesichter mit knallrotem Lippenstift. So entsteht ein groteskes Zerrbild der heutigen Gesellschaft. Hier agiert Eisenstein, der darüber erbost ist, dass ihn sein Anwalt nicht vor dem Gefängnis bewahren konnte.

 

Copyright: Christoph Kalscheuer

Das Gericht hat die Strafe gleich von fünf Tagen auf eine Woche aufgerundet. Sein bester Freund Dr. Falke heitert ihn auf und entführt ihn auf eine verrückte Techno-Party, wo Champagner, Spiel, Flirt und Tanz beim maßlos reichen Prinzen Orlofsky nur so fließen. Diese Orlofsky-Szene mit ihrem Konfetti-Regen ist überhaupt am besten gelungen, da bekommt diese Inszenierung einen geradezu sarkastischen Hintersinn. In der Fassung für Salonorchester von Alexander Krampe klingen auch Jazz-Sequenzen bis hin zu "Besame Mucho" an. Eisensteins Frau Rosalinde kommt das sehr gelegen, denn gerade ist ihr verflossener Liebhaber Alfred wieder bei ihr aufgetaucht  und hat sich frech zum Abendessen bei ihr eingeladen. Dort wird er jedoch anstatt Gabriel von Eisenstein verhaftet.

Auch Rosalinde geht auf Orlofskys Party und will maskiert herausfinden, was ihr Mann so alles anstellt. Und Victoria Stevens gelingt es, Tempo und Situationskomik ihrer Inszenierung erheblich zu steigern. Eisenstein ist hingerissen von der unbekannten Schönen - und auch Rosalindes Assistentin Adele erscheint ihm in neuem Licht. Er freundet sich sogar mit dem Gefängnisdirektor Frank an. Und Dr. Falke will nun auch noch Rache nehmen für einen demütigenden Streich, den ihm Eisenstein vor Jahren präsentiert hat. Nachdem er den betrunkenen Dr. Falke in seinem Fledermauskostüm auf einer Bank abgesetzt hat, musste dieser zum Gespött der Leute damit nach Hause laufen, nachdem er seinen Rausch ausgeschlafen hatte. Im Gefängnis gibt sich Eisenstein zudem seiner Frau Rosalinde zu erkennen,  die er fälschlich für eine ungarische Gräfin hielt - und es kommt letztendlich zu einem ausgelassenen "Happy End". Eisenstein muss nun von allen überführt um Vergebung bitten.

Das Salonorchester der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Stuttgart bietet unter der umsichtigen Leitung von Ulrich Kern eine famose Leistung. Falsche Sentimentalität will hier gar nicht erst aufkommen. Alfreds Lied "Täubchen, das entflattert ist" gewinnt dank Piotr Gryniewicki ein ironisches Timbre. Orlofskys Couplet mit dem Refrain "'s ist mal bei mit so Sitte" zeigt in der Darbietung von Lana Maletic schillernde Klangfarben. Jutta Hochörtler kann nicht nur Rosalindes Csardas Esprit und Grandezza geben. Yuliia Surushkina verleiht Adeles Ariette "Spiel ich die Unschuld vom Lande" erfrischendes Feuer. Das komische Abschiedsterzett im ersten Akt "O je, o je, wie rührt mich dies!" und die fetzig musizierte  Tik-Tak-Schnellpolka des spritzigen Duetts zwischen Rosalinde und Eisenstein sind weitere Höhepunkte dieser trotz mancher szenischer Schwachstellen überzeugenden Aufführung.

Auch Adeles spöttisches Lied "Mein Herr Marquis" gewinnt Format. Alfreds Trinklied "Trinke Liebchen, trinke schnell" mit dem Abgesang "Glücklich ist, wer vergisst" gefällt außerdem durch feine dynamische Kontraste. Und der Galopp "Im Feuerstrom der Reben" sowie der feurige große Walzer mit der "Brüderlein und Schwesterlein"-Weise zeigen knisternden Schwung. In weiteren Rollen fesseln Lars Tappert als Gabriel von Eisenstein, Junoh Lee als Gefängnisdirektor Frank, Jasper Lampe als Dr. Falke, Kilian Wacker als Advokat Dr. Blind, Sophie Lauerer als Adeles Schwester Ida  sowie Wiktor Grduszak als Gerichtsdiener Frosch und das fulminante Chorensemble Xinran Gao, Itzel Devos, Peter Ermer und Maciej Parkita. Das C-Dur-Maestoso-Terzett mit Rosalinde und die Anspielung auf die Kerkerfinale von "Fidelio" bis "Troubadour" zeigen erfrischendes Feuer.

Das irrwitzige Trugspiel mit Maskerade und Rollenwechsel kommt so nicht zu kurz, obwohl der Sliwowitz von Frosch fehlt, der so gar nicht betrunken daherkommt. Die "Vie parisienne" im Stil Offenbachs wird in unsere Zeit übertragen. Und die verrückte Welt steht plötzlich Kopf! Die Verführungsuhr in der Hand der falschen Ungarin lässt das Geschehen eskalieren. Am Schluss großer Jubel und "Bravo"-Rufe für das Ensemble der Opernschule.
 

 

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